Digitale Gesellschaft

Markus Beckedahl, Betreiber des Blogs netzpolitik.org, hat Ende der letzte Woche verkündet, das er einen Verein namens Digitale Gesellschaft gegründet hat.
Eine kurze Umfrage im Bekanntenkreis ergibt folgendes Bild: Alle sind im Internet, kaum jemand kennt netzpolitik.org, netzpolitische Themen spielen im Alltag so gut wie keine Rolle.

Nun, genau das will die Digitale Gesellschaft ändern. Sie wollen sich dabei Greenpeace als Vorbild nehmen und kampagnenorientiert arbeiten, um meiner und „deiner Mudda“ Netzpolitik nahezubringen.

Übers Wochenende macht sich erhebliche Kritik an der neuen Organisation ihre Luft. Wenn ich das richtig lese, sind in dem Verein ca. 20 Leute, die aber nicht unbedingt namentlich bekannt sind, man darf Spenden und mitarbeiten, Inhalte werden aber nicht diskutiert. Halt wie bei Greenpeace: Um schlagkräftig zu sein und um sich nicht tot zu diskutieren. Das ist insofern äußerst amüsant, als das genau Markus Beckedahl permanent kritisiert, das sich Politiker vor Machtverlust fürchten und intransparent arbeiten. Hat er vielleicht rausgefunden, warum die das so machen? 😉

„Dem Internet“ dann eine solche Lobbytruppe zu präsentieren, die demnächst  „ihre Interessen“ vertritt, das erfordert ganz schön viel…sagen wir mal: Mut und Selbstbewustsein.

Ich bin gespannt, wie dieses Projekt weitergeht. Sich als Klassensprecher zu geben, ohne dass man gewählt wurde ist selten gut gegangen, aber mal angenommen, das Projekt kommt so richtig greenpeacemäßig in Gang: Wie werden die Kampagnen aussehen?

  • Werden die sich tagelang mit Großtransparenten an die UMTS-Antennen der Telekom-Hochhäuser ketten, um für Netzneutralität zu kämpfen?
  • Werden dann aus Protest kübelweise nicht zugestellte und benachteiligte Datenpakete vor den Bundestag gekippt?
  • Saust die digitale Gesellschaft demnächst mit Schlauchbooten durchs Internet und verhindert das aufstellen von Stoppschildern?
  • Werden sie Mark Zuckerberg entführen und erst wieder freilassen, wenn er TIPTOP Datenschutzbedingungen bei facebook zusichert?
  • Bekommt die „Netzgemeinde“ bald einen eigenen Feiertag?

Greenpeace ist über spektakuläre Aktionen bekannt und beliebt geworden. Wenn man sich als „digitale Gesellschaft“ dort einreihen will, hängt man selber die Meßlatte sehr hoch und dann werden sich die 20 Vereinsmitglieder ganz schön was ausdenken müssen. Sollte ihnen das gelingen, und die Themen passen mir, werd ich das Projekt gerne unterstützen.

Weitere Artikel zum Thema:
www.fixmbr.de/die-digitale-gesellschaft-ist-nicht-die-digitale-gesellschaft
mrtopf.de/blog/politik-politics/digiges
blog.fefe.de/?ts=b354d1c0
www.tauss-gezwitscher.de/?p=2297
twitter #digiges

4 Gedanken zu „Digitale Gesellschaft

  1. Ich hab mich mit Markus während der re:publica sogar mehrfach über das Problem der geschlossenen Gruppe und Intransparenz unterhalten. Er meinte, das soll nur in der Anfangsphase so sein, da zum Beispiel von der Wikipedia bekannt ist, wie beliebt dort Löschungen und Änderungen bei subjektiv empfundener Irrelevanz seien. In einer fortgeschrittenen Phase wolle sich der Verein öffnen.

    Dass das Thema Bildung offenbar bei digitalegesellschaft.de zur Zeit noch keine Rolle spielt, hab anscheinend nicht nur ich ihm gegenüber kritisiert. Es klang so, als wenn sie darüber noch einmal nachdenken wollen. Es scheint also durchaus so zu sein, dass jeder einzelne der Gruppe Anregungen geben kann und soll.

    Die Geschlossenheit wurde nur durchgezogen, damit es kein Getrolle gibt. Wie es im Netz nunmal schnell passieren kann.

  2. Hmm, jetzt hat er einen heftigen Shitstorm an den Hacken (wie es im Netz nun mal schnell passieren kann) und das zur „Markeneinführung“, das wird die Sache auch nicht unbedingt einfacher machen.

    Diese Geschichte zeigt aus meiner Sicht auch sehr schön, das es keine homogene Netzgemeinde gibt, sondern dahinter normale Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Interessen stecken, die dazu noch alle einen übertriebenen Hang haben, ihre Meinung zu äußern.

    Aber das ist ja als langfristiges Projekt gedacht, daher bin ich da auf die Zukunft gespannt.

  3. Eben, wegen der Langfristigkeit bin auch sehr gespannt. Und finde es vom Grundsatz her zunächst einmal gut.

    Dass ein Shitstorm folgt war schon allein deshalb klar, da dort in der letzten Woche nicht unbedingt konservatives Publikum anzutreffen war. Das so etwas folgt, darüber waren die sich schon bewusst.

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